19. AUGUST 2025
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MENTAL HEALTH & SELBSTFÜRSORGE
ChatGPT statt Therapie: Kann KI bei psychischen Problemen helfen?

Das Wichtigste auf einen Blick 👇
- Viele Jugendliche suchen online psychologische Informationen und Hilfe.
- Chatbots wie ChatGPT oder Wysa sind bei leichten psychischen Problemen hilfreich.
- Auch der Austausch in Online-Foren und Gruppenchats kann unterstützend sein.
- Der Online-Austausch kann die Wartezeit auf einen Therapieplatz überbrücken.
- Ein Chatbot kann jedoch keine Diagnose stellen und ist kein Ersatz für eine Therapie!
Anna (13) ist verzweifelt. Sie hat schlechte Schulnoten, Stress mit den Eltern und Schwierigkeiten, Freund*innen zu finden. Manchmal scheint ihr das Leben eine einzige Qual. Da sie nicht weiss, wem sie sich mit ihren Problemen anvertrauen könnte, wendet sie sich an ChatGPT.
Anna: Mein Leben ist so schwierig und sinnlos. Was soll ich tun?
ChatGPT: Es tut mir sehr leid, dass du dich so fühlst. Dass du den Mut hast, darüber zu sprechen, ist ein wichtiger erster Schritt. Bitte sprich so schnell wie möglich mit einer erwachsenen Person, der du vertraust, zum Beispiel einem Elternteil oder einer Lehrperson. Du kannst dich auch an eine Beratungsstelle wenden. Wenn du möchtest, kannst du mir auch genauer erzählen, was dir Sorgen macht. Ich bin für dich da.
Dieses Beispiel ist ein typischer Dialog mit ChatGPT über ein psychologisches Problem. Wie Anna leiden viele Kinder und Jugendliche an Schulstress, Streit mit den Eltern oder Einsamkeit. Gedanken an Suizid sind sehr belastend und sollten unbedingt mit einer Fachperson besprochen werden. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Denn zuerst muss eine geeignete Therapiestelle gefunden werden und die Wartezeiten sind oft lang. Zudem fällt es vielen Jugendlichen schwer, sich anderen gegenüber zu öffnen, besonders gegenüber einer erwachsenen Person. Sie haben etwa Angst, nicht ernst genommen zu werden oder in eine Klinik zu müssen.
Da ist es viel naheliegender, online nach Hilfe zu suchen. Denn da bekommt man unverbindlich Hilfe, kann das Fenster wieder schliessen, wenn es zu viel wird und kann selbst bestimmen, in welchem Umfang man Hilfe annehmen möchte.
Die Frage ist: Kann dir künstliche Intelligenz bei psychischen Problemen wirklich helfen? Wo liegen die Chancen und die Grenzen von ChatGPT bei psychologischen Fragen?
Was bieten dir KI, Foren und Gruppenchats bei psychischen Problemen?
Anna findet es toll, dass ChatGPT sofort antwortet und so verständnisvoll reagiert. Sie chattet weiter mit der künstlichen Intelligenz, erzählt von ihrem Stress. Der Chatbot gibt ihr konkrete Lerntipps und sagt, was sie tun kann, um die angespannte Situation zuhause zu verbessern und Kontakte mit Gleichaltrigen zu knüpfen. Er verweist sie auch auf professionelle Stellen und hilfreiche Websites und stellt weitere Fragen zu ihrem Befinden. Auch wenn der Austausch kein Gespräch mit realen Freundinnen oder einemr Psycholog*in ersetzt, ermöglicht er Anna, sich ihre Sorgen von der Seele zu schreiben und Antworten darauf zu erhalten.
Psychologische Hilfe und Informationen im Internet 📝
Neben ChatGPT gibt es speziell auf psychologische Probleme spezialisierte Apps wie Wysa, Woebot und Youper mit Chatbots, also virtuellen Gesprächspartnern, die dich mit passenden Antworten und Übungen unterstützen können.
Weitere hilfreiche Gesundheits- und Mental-Health-Apps sind Ephoria, Moodfit, Robin Z und Sero (eine Suizidpräventions-App). Diese Apps wurden teilweise entwickelt, um eine Therapie zu ergänzen. Wenn du psychisch stabil bist, kannst du sie auch eigenständig zur Unterstützung im Alltag einsetzen.
Du findest im Internet auch zahlreiche Websites mit Informationen und Rat zu vielen psychologischen Themen. Achte auf seriöse Quellen, denn im Internet kursieren auch viele Halbwahrheiten. Auf 147.ch kannst du Artikel nach Stichworten suchen. Und wir sind persönlich für dich da: Du kannst uns per WhatsApp kontaktieren, uns anrufen, uns eine E-Mail schreiben oder mit Gleichaltrigen chatten.
Auch in Online-Foren findest du Unterstützung. Über Discord, Snapchat oder Reddit kannst du dich mit anderen Jugendlichen über psychische Probleme (oder andere Themen) austauschen. Bei Messenger-Diensten wie Telegram oder WhatsApp findest du spezifische Gruppenchats. Du kannst dich mitteilen und mitdiskutieren.
Psychologische Fragen werden auch in zahlreichen Podcasts behandelt. So richtet sich etwa der Podcast DRINNIES speziell an introvertierte Personen.
Dies bietet dir das Internet im Umgang mit psychischen Problemen:
- Du kannst mit Chatbots kostenlos und anonym chatten.
- Sie antworten dir sofort und sind rund um die Uhr verfügbar.
- Dialoge mit einem Chatbot können dir helfen, deine Probleme in Worte zu fassen. Dadurch fühlst du dich deinen Emotionen weniger ausgeliefert.
- Die Fragen des Chatbots können dir helfen, dich zu reflektieren.
- Ein Chatbot gibt dir konkrete Tipps, die du sofort ausprobieren kannst.
- Der Austausch in Gruppenchats gibt dir das Gefühl, nicht alleine zu sein.
- Gerade für introvertierte und schüchterne Menschen kann es einfacher sein, sich anonym im Internet mit anderen Personen auszutauschen.
- Chats, Websites und Podcasts bieten dir wertvolle Infos zu Symptomen, Strategien, Übungen und Skills (Psychoedukation).
Anna schätzt am Austausch mit ChatGPT besonders, dass die KI so besonnen und neutral reagiert. Sie fühlt sich vom Chatbot angenommen, wie sie ist. Dank den konkreten Ratschlägen erkennt sie, dass sie viele Handlungsmöglichkeiten hat, und fühlt sich weniger verzweifelt. So wie Anna geht es übrigens vielen Personen, die KI bei psychischen Problemen nutzen. Gemäss einer Studie von Forschenden der Universität Toronto aus dem Jahr 2025 werden die Antworten von KI sogar als verständnisvoller, mitfühlender und nützlicher empfunden als die von Psycholog*innen. Das obwohl künstliche Intelligenz bekanntlich keine Gefühle hat und menschliches Mitgefühl nur simuliert.
❗Achtung: Wende dich bei akuter Gefährdung (Selbstverletzung, Suizid) an eine erwachsene Person, der du vertraust! Dies gilt auch bei länger anhaltenden Problemen. Das Internet bietet keinen Ersatz für eine Therapie bei einer Fachperson!
Grenzen und Risiken von KI bei psychologischen Problemen 💥
Wenn du dich nicht getraust, dich mit deinen Problemen an eine reale Person zu wenden, ist es eine gute Idee, wenn du im Internet nach Hilfe suchst. Doch nicht alle Probleme lassen sich mittels Apps oder Gruppenchats lösen. Der anonyme Austausch mit KI und/oder Gleichaltrigen ersetzt keine Therapie und birgt auch Risiken:
- Psychische Störungen sind teilweise sehr komplex. Wenn du nur im Internet über deine Probleme sprichst, besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen oder falscher Sicherheit. Ein Chatbot kann nur auf das eingehen, was er von dir liest, und schätzt deinen Zustand daher nicht unbedingt richtig ein.
- Tests zeigen, dass KI dir in einer belastenden Situation manchmal auch Tipps gibt, welche dir noch weiter schaden können. Hinterfrage deshalb die Antworten des Chatbots kritisch. Höre auf dein Bauchgefühl und wende dich an eine erwachsene Person, wenn du unsicher bist.
- In Gruppenchats und Online-Foren fehlt oft eine Moderation. Manchmal werden falsche Informationen oder toxische Inhalte geteilt, die dich zusätzlich belasten können. Achte darauf, dass in deiner Gruppe ein respektvoller Umgang herrscht und dass ihr euch gegenseitig unterstützt statt herunterzieht. Wenn es dir zu viel wird, kannst du den Chat jederzeit verlassen.
- Die ständige Verfügbarkeit eines Chatbots ist zwar toll, es besteht aber auch die Gefahr der Übernutzung. Hier liegt auch ein entscheidender Unterschied zur Therapie: Die Sitzungen sind zeitlich begrenzt, in der Zeit dazwischen kannst du das Besprochene verarbeiten und wirken lassen. Im Unterschied zur KI haben Psycholog*innen zudem ein langfristiges Therapieziel im Blick.
- Ein Chatbot simuliert Mitgefühl und kann dir kurzfristig die Illusion geben, dass du nicht alleine bist. Doch du kannst mit ihm nicht lachen oder weinen. Ein Chatbot kann dich auch nicht in den Arm nehmen, wie gute Freund* innen es tun. In einer Psychotherapie hingegen baust du eine Beziehung auf, die auf echtem Vertrauen basiert. Dabei übst du, dich zu öffnen. Das ist insbesondere bei sozialen Schwierigkeiten hilfreich. Zudem fordert dich eine Therapeutin auch mal heraus, während ein Chatbot dazu neigt, dich zu bestätigen.
- Studien zeigen, dass die menschliche Beziehung der wichtigste Faktor ist bei der Wirksamkeit einer Therapie. Es geht also nicht nur darum, eine bestimmte Methode anzuwenden. Bei komplexen psychischen Störungen (z. B. Traumata oder Sucht) und in akuten Fällen (z. B. bei Suizidgefahr) sind eine fundierte therapeutische Einschätzung und Erfahrung unverzichtbar.
Fazit und ein abschliessender Tipp 🤝
KI bietet dir unmittelbar psychische Unterstützung und kann im Alltag sehr hilfreich sein, etwa bei leichten Ängsten oder zur Bewältigung von Stress. Wenn du grosse Probleme hast, genügt es längerfristig nicht, dich mit Chatbots oder in Foren darüber zu unterhalten. Dann brauchst du eine echte Therapie – mit menschlicher Bindung, echtem Mitgefühl und tiefer emotionaler (Beziehungs-)Arbeit.
Als abschliessender Tipp: Frag deinen Chatbot, was er dir in psychologischer Hinsicht nicht bieten kann. Meistens bekommst du auf diese Frage eine erstaunlich ehrliche Einschätzung. Denn KI ist so programmiert, dass sie ihre Grenzen benennt.